Für ein ökosozialistisches Dringlichkeitsprogramm

Christian Zeller, 12. Februar 2019

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Seit Ende November demonstrieren in zahlreichen Ländern junge Menschen gegen die Klimapolitik der Regierungen. Besonders in Schweden, Belgien, Deutschland und in der Schweiz schlossen sich Zehntausende Schüler*innen der Bewegung an. In Paris kam es am 8. Dezember zu einer großen Klimademonstration, die auch die sozialen Anliegen der Gelbwestenbewegung aufgriff. Nun gibt es auch in Österreich die ersten erfolgversprechenden Aktionen von Schüler*innen. Sie handeln richtig. Greifen wir ihren Schwung auf. Wir brauchen radikale Antworten.

Die Situation zwingt zu energischem Handeln

Die jungen Menschen haben den Ernst der Situation erkannt. Sie nehmen sich ein Beispiel an der schwedischen Gymnasiastin Greta Thurnberg, die bereits seit Monaten am Freitag der Schule fernbleibt und stattdessen demonstriert.

Die durchschnittliche globale Temperatur ist seit 1800 nur um ein Grad gestiegen. Die globale Erwärmung wird voraussichtlich zwischen 2030 und 2052 1,5° C erreichen (IPCC 2018). Das Ergebnis ist bereits beunruhigend: Hitzewellen, Kältewellen, Dürren, schmelzende Gletscher und Eiskappen, heftigere Zyklone und riesige Waldbrände. Die vier letzten Jahre waren die wärmsten der Messgeschichte. Wichtiger als jüngere Wetterphänomene und die Wertung einzelner Jahre ist der langjährige Trend. WMO-Generalsekretär Petteri Taalas erklärte, die 20 wärmsten Jahre weltweit seien in den vergangenen 22 Jahren registriert worden. Der Temperaturanstieg ging Hand in Hand mit einer Zunahme der Konzentration klimaschädlicher Gase in der Atmosphäre. Taalas rät zu energischem Handeln zur Reduzierung des Treibhausgas-Ausstoßes (derstandard.at 2019b).

Nun kommt ein bislang wenig beachtetes Phänomen dazu. Ein Sechstel der Landfläche unseres Planeten liegt in Permafrostregionen, in denen die Böden ganzjährig gefroren sind. Diese Permafrostböden erwärmen sich und tauen auf. Sie konservieren gigantische Mengen an Biomasse, größtenteils Überreste von Pflanzen. Steigen die Temperaturen beginnen Bodenbakterien das Material abzubauen. Dabei setzen sie große Mengen an Kohlendioxid CO2 und Methan CH4 frei, die zur Erderwärmung beitragen. Eine Studie zeigt, wie rasch sich der Untergrund erwärmt (Biskaborn, et al. 2019; Rennert 2019). Die in den internationalen Klimaabkommen definierten Emissionsbudgets beziehen sich auf die kumulierten anthropogen verursachten CO2-Emissionen. Das Auftauen der Permafrostböden kann dazu führen, dass weitere Mengen Klimagase emittiert werden. Unter Berücksichtigung der Erwärmung der Permafrostböden sinken die menschlichen Emissionsbudgets um zwischen 8% und 25% (Gasser, et al. 2018; derstandard.at 2018).

Eine um 2° C höhere durchschnittliche globale Temperatur wird katastrophale Auswirkungen haben. Ab einer bestimmten Temperaturerhöhung besteht das Risiko von Kippmomenten, also sich selbstverstärkende Schnellballeffekte der globalen Erwärmung, wie eben das Auftauen von Permafrostböden oder durch den Anstieg des Meeresspiegels verursachte großflächig einstürzende Küsten.

Stiege die Temperatur um 4° C, würden ganze Regionen unbewohnbar, Hunderte von Millionen Menschen zur Flucht gezwungen, die biologische Vielfalt verarmen und der Meeresspiegel um drei bis vier Meter steigen. Das wäre eine schleichende Naturkatastrophe und vor allem eine gesellschaftliche Katastrophe, die auf die Zerstörung vieler menschlicher Gesellschaften hinauslaufen würde.

Klimapolitik in Österreich geht in die falsche Richtung

Die Klimakonferenz COP 21 im Dezember 2015 in Paris beschloss, dass der Schwellenwert von 1,5° C für die globale Erwärmung nicht überschritten werden solle, allerdings ohne verbindliche Verpflichtungen für Länder. Die Regierungen missachten aber ihre eigenen Beschlüsse. Sie tun nichts, um dieses Ziel zu erreichen. Spezialist*innen prognostizieren, dass die Umsetzung der gegenwärtigen „Klimapläne“ zu einer Erwärmung von 2,7° bis 3,7° führen werde. Viele politische Führer wie Donald Trump, Brasiliens faschistischer Präsident Bolosonaro und Exponent*innen der FPÖ leugnen gar die durch den Menschen verursachte Klimaerwärmung.

Die österreichische Klimapolitik ist ungenügend (Steurer und Clar 2015). Die Regierung weist anderen, der Klimapolitik widersprechenden Zielen eine größere Bedeutung zu (Niedertscheider, et al. 2018). Österreich hält nicht einmal die selbst gesetzten und durchaus bescheidenen Ziele ein. Österreich verpflichtete sich dazu, seinen Treibhausgasausstoß bis 2020 im Vergleich zu 2005 um 16 Prozent und bis 2030 um 36 Prozent zu reduzieren. Aber im Widerspruch dazu steigen seit 2014 die klimaschädlichen Emissionen wieder an und zwar von 76,7 auf 82,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente (UBA 2019b).

Mit 23,7 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent war der Verkehrssektor 2017 der größte Verursacher von Treibhausgas-Emissionen außerhalb des Emissionshandels. Seit dem international verwendeten Referenzjahr 1990 stiegen im Verkehrssektor die Treibhausgas-Emissionen um 71,8 %, verursacht im Wesentlichen durch den Anstieg der Fahrleistung im Straßenverkehr (UBA 2019b). Der Besetzungsgrad pro Fahrzeug sank von 1,4 im Jahr 1990 auf 1,2 im Jahr 2016. Der Straßenverkehr nahm 2016 einen Anteil 28,6% an den gesamten Emissionen ein (Personenverkehr 18,4%, Güterverkehr 10,2%) (UBA 2018: 107).

Der besonders emissionsreiche grenzüberschreitende Flugverkehr ist in diesen Zahlen nicht inbegriffen. Denn es werden nur die inländischen Flüge mit Start und Landung in Österreich den gesamten nationalen Treibhausgas-Emissionen zugerechnet werden. Deshalb betragen die nationalen Flugbewegungen nur einen Bruchteil an den gesamten Treibhausgas-Emissionen Österreichs (rd. 0,2 % bzw. 0,05 Mio. Tonnen CO2-Äquivalent im Jahr 2016). Der grenzüberschreitende Flugverkehr mit Start oder Landung in Österreich verursachte im Jahr 2016 allerdings rund 2,3 Millionen Tonnen klimaschädliche Treibhausgase (UBA 2018: 112). Das entsprach etwa dem jährlichen CO2-Ausstoß von 1,3 Millionen Benzin-Pkw. Der Flugverkehr ist von der Mineralölsteuer befreit. Auch unter Berücksichtigung der Flugabgabe fördert der Staat den Flugverkehr durch die fehlende Kerosinsteuer mit über 300 Millionen Euro pro Jahr (VCÖ 1016). Diese Politik ist Ausdruck einer kompletten Verantwortungslosigkeit gegenüber ökologischen Belangen.

Sogar der Sektor Gebäude, dessen Emissionen seit 1990 dank Gebäudesanierungen und anderer Bauweise um 35,1% abgenommen hat, verursachte im Jahr 2017 um circa 8,3 Mio. Tonnen an THG Emissionen, was einem Anstieg von 1,8% gegenüber dem Vorjahr entsprach (UBA 2019a).

Leider ist Österreich keine Ausnahme. Auch andere Länder verfehlten ihre eigenen Klimaschutzziele. So dürft Deutschland statt der geplanten Treibhausgasreduktion von 40 % bis 2020 im Vergleich zu 1990 nur eine Abnahme von 32 % erreichen (derstandard.at 2019a).  Diese wenigen Zahlen offenbaren, dass die etablierten politischen Kräfte klimapolitisch gescheitert sind. Die Grünen Parteien in den Parlamenten und Regierung machen da kaum einen Unterschied.

Das Kapital zerstört unser Leben und den Planeten.

Wissenschaftler*innen warnen seit über  25 Jahren. Dennoch steigen die klimarelevanten Emissionen weiter an. Die etablierten Parteien reagieren kaum. Warum? Weil sie mit den kapitalistischen Regeln nicht brechen wollen. Ziel eines Unternehmens im Kapitalismus ist es Gewinn zu machen und Kapital zu akkumulieren. Das erfordert wirtschaftliches Wachstum. Dieses Wachstum beruht historisch auf fossilen Energieträgern, also Öl, Gas und Kohle. Ohne die Förderung von Öl, Gas und Kohle hätte sich die kapitalistische Wirtschaft nicht durchsetzen können. Weil dies weiterhin die günstigsten und profitabelsten Energiequellen sind, wollen die großen Konzerne nicht aus der fossilen Energieproduktion aussteigen. Die großen Energiekonzerne weigern sich, ihre fossilen Energievorräte und -ausrüstungen aufzugeben. Die Banken wollen weiterhin ihr in deren Aktien und Ausrüstungen investiertes Kapital wachsen sehen. Die Unternehmen und Konzerne stehen in Konkurrenz zueinander. Wer nicht genügend profitabel ist, wird durch Kapitalabzug bestraft und gar aus dem Rennen geworfen. Darum sind Konzernleitungen aller Industrien und Sektoren bestrebt immer mehr Arbeit und Natur in den Strudel der Produktion und der Kapitalverwertung hineinzuziehen. Es geht darum, immer mehr zu produzieren und vor allem mehr Gewinn zu erzielen als die Konkurrenz.

Erneuerbare Energien sind ökologisch sinnvoll. Doch es gilt zu beachten, dass auch sie aus Profitgründen produziert werden, nicht aus Gründen der Ökologie. Darum sind „grüne Industrien“ keineswegs gerechter. Auch sie beruhen darauf, die Arbeitenden auszubeuten und günstige „natürliche Ressourcen“, wo auch immer auf der Welt, zu nutzen.

Bürgerliche, sozialdemokratische und sogar grüne Politiker*innen sagen, dass das Wachstum die Voraussetzung für unsere Arbeitsplätze, Löhne, soziale Sicherheit, öffentlichen Dienste und überhaupt für unseren Lebensstandard sei. Allerdings müssten wir intelligenter und effizienter wachsen. Doch in letzter Konsequenz hieße das, dass unser Leben weiterhin vom Raubbau an der Natur und der Ausbeutung der Arbeit abhängen würde. Demgegenüber ist festzustellen, dass das kapitalistisch-produktivistische System sowohl unser Leben in Frage stellt als auch die Natur zerstört.

Heute stehen wir am Rande des Abgrunds. Um auch nur eine 50%-Chance zu haben, die an der Pariser Konferenz beschlossene 1,5° C der globalen Erwärmung nicht zu überschreiten, müssen die globalen Netto-CO2-Emissionen zwischen 2020 und 2030 um 58% sinken. Dann müssen sie im Jahr 2050 auf Null reduziert werden. Danach ist sicherzustellen, dass die Erde mehr CO2 absorbiert, als sie emittiert (IPCC 2018; Tanuro 2019).

Andernfalls wird es notwendig sein, sich mit dem erhitzten Planeten abzufinden, Technologien einzusetzen, um künstlich Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu entfernen („negative Emissionstechnologien“) oder einen Teil der Sonneneinstrahlung ins All zurückzuführen („Geo-Engineering“). Vor diesen technologischen Scheinlösungen ist ausdrücklich zu warnen. Es gibt keine Garantie dafür, dass diese Hexereien funktionieren. Sie können nicht erprobt, sondern nur direkt in Echtzeit am lebenden Planeten durchgeführt werden.

Angesichts einer zerstörerischen Gefahr sind die Enttäuschung der Schüler*innen über die traditionelle Politik, ihre Wut und ihr Selbsterhaltungstrieb vollständig legitim. Die Schüler*innen treten vollständig berechtigt in den Streik. Lasst uns nicht tatenlos zusehen. Unterstützen wir diese entstehende Bewegung und folgen wir ihrem Beispiel.

Soziale und ökologische Herausforderungen zusammen anpacken

Die globale Erwärmung zeigt ihre Wirkungen räumlich und gesellschaftlich ungleich. Die Hauptopfer kennen wir hier nicht einmal. Sie leben in den armen und ausgebeuteten Ländern des sogenannten globalen Südens. Große Teile von Bangladesch und viele Inseln im pazifischen und indischen Ozean werden unbewohnbar werden. Die Ausdehnung der Wüsten in Teilen Asiens und Afrikas wird sich beschleunigen und der Wasserhaushalt vieler Gebirgsregionen wird sich grundlegend verändern. Aber auch in den reichen Ländern werden die Hauptopfer der globalen Erwärmung diejenigen sein, die ohnehin bereits von Unternehmen und Regierungen angegriffen werden: Lohnabhängige, Kleinbäuer*innen, Frauen, Kinder, Rentner*innen, Kranke und Migrant*innen.

Die Reichen gehen davon aus, dass sie für sich eine Lösung finden werden. Um ihre Privilegien zu retten und unsere sozialen und demokratischen Errungenschaften zu zerstören, stützen sie sich zunehmend auch auf rechtsextreme Nationalist*innen, Rassist*innen, Sexist*innen und Leute, die die menschgemachte Erwärmung in Abrede stellen.

Diesen Kräften ist klar entgegenzutreten. Die sozialen und ökologischen Herausforderungen sind gemeinsam zu denken und zu lösen, sie sind verbundene Aspekte einer großen demokratischen Auseinandersetzung.

Dieser Kampf muss auch in der Arbeitswelt stattfinden. Die Jugendlichen, die verschiedenen sozialen Bewegungen, die Gelbwesten in Frankreich und die Gewerkschaften müssen ihre Forderungen zusammenführen und gemeinsam dafür einstehen.

Die Aktionen, Demonstrationen und Streiks sind ein Unterricht anderer Art. Dieser Unterricht auf der Straße ist wichtig. Damit lernen die Beteiligten wieder sich selber auszudrücken und ihre eigene Kraft zu entwickeln anstatt Politiker*innen zu vertrauen. Die jungen Menschen verteidigen ihr Existenzrecht. Das ist komplett berechtigt und richtig. Es ist unsere Aufgabe hinter ihnen zu stehen und ihren Schwung in unsere Lebenswelt zu bringen. Das ist unsere Pflicht und Verantwortung.

Dreizehn Punkte eines ökosozialistischen Dringlichkeitsplans

Ist es noch möglich, die durch Klimaerwärmung bewirkte gesellschaftliche Katastrophe zu vermeiden? Der Aufwand ist enorm. Die Aufgabe kann nur gelingen, wenn wir die gesellschaftlichen und ökologischen Herausforderungen in einer demokratischen und gerechten Perspektive verschmelzen. Ein ökosozialistischer Übergang ist unerlässlich. Wir brauchen einen Dringlichkeitsplan, den wir auf nationaler, kontinentaler und schließlich globaler Ebene konzipieren und umsetzen müssen (Tanuro 2019). Hier sind die dreizehn wichtigsten Punkte:

  1. Setzen wir uns für die Gründung öffentlicher Unternehmen ein, die alle Gebäude ohne zusätzliche Kosten für die Bewohner*innen isolieren und renovieren.
  2. Es ist massiv in den öffentlichen Verkehr zu investieren und gleichzeitig die Nutzung von Privatfahrzeugen unattraktiv zu machen. Projekte, die den privaten Individualverkehr begünstigen, sind zu stoppen. Das heißt: keine weiteren Autobahnen, Straßenerweiterungen, Parkhäuser. Wir wollen Städte der kurzen Wege.
  3. Der Flugverkehr ist massiv zu reduzieren. Ab einer bestimmten Flugleistung ist der Flugverkehr progressiv zu besteuern und zu rationieren. Die Projekte zur Erweiterung von Flughäfen sind zu stoppen. Auf die dritte Piste des Flughafen Wien-Schwechat ist zu verzichten.
  4. Unnötige Warentransporte sind zu vermeiden. Umfassende Analysen zu tätigen, die den gesamten Stoffumsatz und die Arbeitsleistung während der gesamten Lebensdauer von Produkten berücksichtigen. Dieses Wissen hilft, Produktionsnetzwerke räumlich so zu lokalisieren, dass der Ressourcenverbrauch minimiert wird.
  5. Unnötige und gefährliche Produktionslinien sind zu vermeiden. Die Rüstungsproduktion ist abzuschaffen. Die Automobilindustrie ist umzubauen in eine Industrie, die Produkte und Dienstleistungen für eine nachhaltige Organisation unserer Mobilitätsbedürfnisse herstellt. Die von den Konzernen geplante kurze Lebenszeit von Produkten (Obsoleszenz) ist konsequent umzukehren. Die Produkte sollen langlebig, leicht wartungsfähig, reparierbar und verbesserungsfähig produziert werden. Die Beschäftigten in den abgeschafften und umgebauten Industriesektoren müssen das Recht auf neue sinnvolle Tätigkeiten ohne Einkommenseinbußen und volle Sozialleistungen haben.
  6. Lassen wir die fossilen Brennstoffe unter dem Boden liegen. Wir streben die gesellschaftliche Aneignung des Energiesektors unter demokratischer Kontrolle der Beschäftigten und der Bevölkerung an. Damit setzen wir einen schnellen Übergang zu einer Wirtschaft durch, die zu 100% auf erneuerbaren Energien basiert und auf Kernenergie verzichtet.
  7. Verteilen wir den erarbeiteten Reichtum um. Stellen wir sicher, dass alle gleichermaßen unter die Steuerpflicht gestellt und die globalen Einkommen und Vermögen progressiv besteuert werden. Die Mittel sind da, um einen öffentlichen Sektor zu finanzieren, der das Bildungswesens sowie den Gesundheits- und Pflegebereich so organisiert, damit sie den gesellschaftlichen Bedürfnissen entsprechen.
  8. Brechen wir mit der Agrarindustrie und fördern wir den ökologischen Landbau, der zudem alles unternehmen muss, um so viel Kohlenstoff wie möglich zu binden.
  9. Respektieren wir die Klimagerechtigkeit. Unterstützen wir die demokratischen Bewegungen für soziale und Umweltgerechtigkeit in den abhängigen und peripheren Ländern. Transferieren wir die für eine nachhaltige Entwicklung für alle notwendigen Technologien und finanziellen Ressourcen zu denjenigen, die diese benötigen.
  10. Teilen wir die notwendige Arbeit unter alle auf. Eine radikale Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausfall ist eine wesentliche ökologische Forderung. Wir wollen die Produktivitätssteigerungen in mehr freier Zeit entgolten haben. Das ist eine wichtige Voraussetzung, um die Lohnarbeit, die Hausarbeit und die freie Zeit gerechter auf die Geschlechter aufzuteilen. Die Arbeitszeitverkürzung stellt uns auch vor die Herausforderung die Arbeit in Unternehmen und Betrieben völlig neu zu organisieren, und zwar unter Kontrolle der Beschäftigten.
  11. Bildung, Transport, Gesundheitsversorgung und der Finanzsektor gehören vollständig unter gesellschaftliche Kontrolle und sind den Zwängen des Marktes, der Konkurrenz und der Profiterzielung zu entziehen. Grundbedarf von Wasser- und Stromverbrauch müssen kostenlos sein. Über den Grundbedarf hinausgehender Verbrauch ist mit progressiv steigenden Preisen zu belegen. Der gesellschaftlich angeeignete und kontrollierte Finanzsektor hat die Aufgabe, den ökologischen Umbau der Industriegesellschaft zu finanzieren.
  12. Entwickeln wir eine Kultur der Fürsorge, Transparenz und Verantwortlichkeit. Stärken und vergesellschaften wir die Pflegeaktivitäten für Menschen und Ökosysteme.
  13. Gewähren wir allen Menschen die gleichen politischen Rechte einschließlich des Wahlrechts. Setzen wir die direkte Kontrolle der Politik und Wirtschaft durch die Bevölkerung durch. Das schließt die Möglichkeit ein, dass Initiativgruppen der Bevölkerung Vorschläge zur Änderung von Gesetzen einbringen können und dass die Bevölkerung gewählte Vertreter*innen auch abberufen kann.

Dieser Dringlichkeitsplan mag zunächst utopisch klingen. Doch auch kapitalistische Regierungen können konsequent handeln, allerdings nur unter massivem Druck. Erinnern wir uns daran, dass die Regierung der USA zwischen 1940 und 1944 einen Notfallplan durchsetzte. Sie ließ die militärische Produktion von 4% auf 40% des BIP ansteigen und führte alle Arten von Beschränkungen ein. So erhöhte sie den Spitzensteuersatz auf über 94%.[1] Sie tat dies um das deutsche Nazireich zu besiegen und die globale Vorherrschaft der multinationalen US-Unternehmen zu sichern. Sogar kapitalistische Regierung sind also zu konsequenten Maßnahmen fähig, wenn sie das nur wollen beziehungsweise, wenn der Druck auf sie genügend groß ist.

Die hier genannten Vorschläge sind zu konkretisieren. Programmatische Klarheit ist wichtig, damit die Klimabewegung wirklich ein politischer Faktor wird, der die politischen und gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse zu ändern vermag.

Wir können die Erderwärmung entscheidend bremsen, um den Planeten für alle Menschen lebenswert zu halten. Dafür müssen wir soziale Gerechtigkeit durchsetzen. Es geht letztlich nur um den politischen Willen. Schaffen wir ein Kräfteverhältnis, um ein radikales ökologisches Reformprogramm einleiten. Allerdings ist der Einstieg in eine grundlegende ökosozialistische Veränderung der Gesellschaft Voraussetzung um die gigantische Herausforderung der Klimaerwärmung weltweit in Griff zu kriegen.

Quellen


[1] Die US-Regierung erhöhte „als Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise“ den  „Satz 1932 erst auf 63 % und dann im Zuge des Zweiten Weltkrieges kontinuierlich auf seinen Höchstsatz von 94 % für Einkommen über 200.000 US-Dollar“. „Der Spitzensteuersatz blieb bis 1964 über 90 %, wurde dann aber auf 70 % gesenkt.“ Das sind aus heutiger Sicht erstaunliche Steuersätze im wichtigsten kapitalistischen Zentrumsland. (Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Einkommensteuer_(Vereinigte_Staaten).

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