Am Montag, 8. Juli, fanden zeitgleich in Basel und Zürich Aktionen gegen den fossilen Finanzplatz statt. Mehrere hundert Aktivist*innen blockierten die Zugänge zu den beiden Banken Credit Suisse und UBS. Frühmorgens ging es los: Bereits kurz vor 7:00 wurden die Blockaden errichtet. Einige Aktivist*innen ketteten sich zusätzlich an. Organisiert wurden die Aktionen vom Collective Climate Justice, einem Zusammenschluss verschiedener Organisationen und Einzelpersonen. Nach 2017 und 2018 fanden die Aktionstage zum dritten Mal statt. Nachdem im letzten Jahr der Basler Ölhafen blockiert wurde, stand dieses Jahr der Finanzplatz Schweiz im Zentrum. Das Collective Climate Justice will mit dieser beispielhaften Aktion gezielt auf die Verantwortung des Finanzsektors für die Erderwärmung aufmerksam machen.

von Matthias Kern (BFS Zürich), 9. Juli 2019

Die Hintergründe

Proteste gegen die Verschmutzung der Umwelt durch den Schweizer Finanzplatz sind mehr als legitim: Der Finanzplatz Schweiz emittiert das 20-fache der Treibhausgasemissionen der ganzen Schweiz.[1]

Die UBS und die Credit Suisse haben in den Jahren 2015 bis 2017 insgesamt 12,3 Milliarden Dollar für 47 globale Unternehmen, die in ökologisch extrem schädlichen Bereichen tätig sind, bereitgestellt. Die zwei Banken sind unter anderem an der Rodung des Hambacher Forstes beteiligt und investieren in den Energiekonzern RWE, der durch den Braunkohleabbau zu den grössten CO2 Produzenten Europas gehört. Im Jahr 2017 hatten diese Unternehmen einen CO2-Ausstoss von 93,9 Millionen Tonnen. Zum Vergleich: In der Schweiz werden jährlich ungefähr 48 Millionen Tonnen CO2 ausgestossen. Allein durch die Investitionen in diese 47 Unternehmen verantworten die UBS und Credit Suisse den doppelten CO2 Ausstoss der Schweiz.

Aktivist*innen vor der UBS in Basel
Bild könnte enthalten: 1 Person, Schuhe und im Freien
Blockierter Eingang der UBS in Basel
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Basel: lieber Kohle vor dem Eingang der UBS als Kohle der UBS für die fossile Industrie
Die Polizei beginnt mit der Räumung in Basel am 8. Juli
Die Polizei nimmt eine Aktivistin in Basel fest

Zu behaupten, dass jedes Individuum die gleiche Verantwortung für eine nachhaltigere Zukunft trägt, ist angesichts dieser Zahlen absurd. Mit der Besetzung der Credit Suisse wollen wir aufzeigen, dass es nicht unsere individuellen Konsumentscheide sind, welche den Klimawandel stoppen können, sondern dass wir eine grundlegende andere Art des wirtschaftlichen Funktionierens benötigen. In der kapitalistischen Produktionsweise, in der alle Unternehmen gezwungen sind Profit zu erwirtschaften – bei Strafe des eigenen Untergangs –, werden wirksame Umweltschutzmassnahmen aufgrund des Konkurrenzkampfes zwangsläufig zu lästigen Kostenfaktoren. Es sind also Konzerne wie die Credit Suisse, die unsere Umwelt wissentlich zerstören!

Die Reaktion der Banken und der Polizei

Die Credit Suisse in Zürich hat dementsprechend auch nicht lange gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Relativ schnell hat sie die Räumung der Blockaden verlangt. Bereits um 09:00 Uhr setzte die durch die grüne Stadträtin Karin Rykart geführte Polizei ein Ultimatum. Danach begann sie mit der Räumung – hinderte gleichzeitig Journalist*innen bei ihrer Arbeit und verhängte willkürlich Wegweisungen gegen sich solidarisierende Menschen im Umkreis. Das riesige Polizeiaufgebot zerrte die Aktivist*innen einzeln aus den Blockaden und führte sie ab. Insgesamt wurden ungefähr 70 Personen festgenommen – im Alter von 15 bis 65 Jahren.

Die Blockade der Credit Suisse in Zürich
Die Polizei war mit einem riesigen Aufgebot auf dem Paradeplatz in Zürich
Ausstieg aus den fossilen Energien!


Aktivistin im Würgegriff


CS-Banker nimmt die Polizeiparade in Zürich ab

In Basel konnte die Blockade etwas länger Bestand halten. Erst am Nachmittag setzte die Polizei die Räumung durch und verhaftete auch hier 40 Personen.

Sie versuchen uns zu spalten und zu kriminalisieren…

Die Ermittlungen in Zürich hat die so genannte «Krawallgruppe» der Zürcher Staatsanwaltschaft übernommen. Diese dubiose Abteilung, deren Weisungen bis heute aus «ermittlungstaktischen Gründen» geheim gehalten werden und die geleitet wird von einem Typen, der einen Bärenkopf in seinem Büro hängen hat, ist bekannt dafür, Aktivist*innen und Fussballfans in teils grotesken Prozessen bestrafen zu wollen.

Das Vorgehen scheint in diesem Fall ziemlich klar: Es ist der Versuch, die Klimabewegung in einen «guten» und einen «schlechten» Flügel zu spalten. Wer sich nicht an dubiose «Regeln» bei der Bekämpfung der Klimakatastrophe hält, wird eingesperrt und angeklagt. Noch schlimmer: Die Staatsanwaltschaft Zürich-Sihl hat verfügt, dass «es für die Täteridentifikation bezüglich früher begangener oder künftiger Vergehen oder Verbrechen erforderlich ist, eine erkennungsdienstliche Erfassung durchzuführen und einen Wangenschleimhautabstrich zu nehmen.» Damit werden DNA-Profile erstellt, die dann zukünftig abgeglichen werden sollen. Dies ist umso erstaunlicher, als dass die DNA-Profile in den Ermittlungen, für die den Verhafteten vorgeworfenen „Verbrechen“ kaum von Nutzen sein werden – die Gründe sind politisch.

Die Staatsanwaltschaft hat entschieden, die Inhaftierten über Nacht gefangen zu halten und sie einzeln vorführen zu lassen. Teilweise wurden die Verhafteten, auch noch viele Stunden nach den Verhaftungen, gefesselt und weiterhin in den weissen Baumwollanzügen von einem Gebäude ins nächste verfrachtet. Ohne wirklichen Anlass und Grund werden auch Nacktuntersuchungen angeordnet. Die entwürdigenden Massnahmen der Polizei haben den Zweck, die zu grossen Teilen sehr jungen Klimaaktivist*innen (teilweise 15-jährig) einzuschüchtern, abzuschrecken und mundtot zu machen.

…doch wir halten zusammen, weil unser Protest legitim und dringend nötig ist

Doch dieer Plan wird nicht aufgehen. Die ersten Zeichen sind zu vielversprechend: Die Klimastreik-Bewegung in Zürich hat umgehend reagiert und ebenfalls zu einem Knast-Spaziergang am Abend aufgerufen. Obwohl die Vorlaufzeit sehr kurz war, kamen mindestens 200 Personen zusammen, die laut und deutlich vor das Gebäude der Kantonspolizei zogen und dort die Inhaftierten grüssten. In Basel steht eine Mahnwache, welche auf die weiterhin Verhafteten aufmerksam macht und in Zürich wurden die ganze Nacht über Schichten vor dem Gefängnis geschoben, um allfällig Entlassene in Empfang nehmen zu können.

Klimaschutz ist kein Verbrechen! Solidaritätsdemonstration in Zürich
Auf der Kasernenwiese in Zürich
Über 200 Personen haben sich an der Solidartätsdemo in Zürich beteiligt

Der Protest gegen die Klimakrise, die bereits in vollem Gange ist, ist legitim. Es sind die unterschiedlichsten Protestformen von Demonstrationen über Blockaden bis hin zu Besetzungen und Störaktionen dringend notwendig, wenn tatsächlich noch eine Wende in den aktuellen Entwicklungen und Prognosen erreicht werden soll. Jede*r, die oder der etwas anderes behauptet und auf «arme Bankangestellte» oder ausgefallene Trams verweist, hat den Ernst der Lage noch nicht erkannt: Die Kipp-Punkte in der Arktis scheinen bereits überschritten, der auftauende Permafrost haben Forscher*innen so für 2100 erwartet und die Prognosen für den Anstieg des Meeresspiegels erreichen mittlerweile 200cm. Wir steuern mit Vollgas auf die Katastrophe zu und eine 4-5 Grad erwärmte Welt ist nicht mehr ein Extrem- sondern ein immer realistischer werdendes Horrorszenario. Wir müssen jetzt etwas tun, danach ist es zu spät. Diese Blockade war erst der Anfang.


Fussnoten:

[1] https://www.wwf.ch/sites/default/files/doc-2017-09/2016-05-Studie-Klima-Masterplan-Klima-Allianz.pdf

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