Elektroautos sind in aller Munde. Die Automobilindustrie, die Regierungen und sogar die grünen Parteien feiern sie als Auto der Zukunft, aber sie verstopfen die Straßen genau so wie herkömmliche Autos und benötigen im Ruhezustand den gleichen Platz wie jedes andere Auto. Sie sollen die Energiewende einläuten, vor allem den CO2-Ausstoß verringern, doch für die Elektromobilität werden Batterien benötigt. Um diese Elektroautobatterien herzustellen, wird vor allem Lithium gebraucht, ebenso Kobalt. Doch die Gewinnung dieser Rohstoffe ist hochproblematisch. Gerade der Lithiumabbau in Südamerika bedroht indigene Völker und zerstört die Umwelt.

von Larissa Peiffer-Rüssmann
aus Sozialistische Zeitung, September 2019

In den kommenden Jahren werden Unmengen der Rohstoffe Lithium und Kobalt benötigt, um Battieren herstellen. Denn neben elektrisch betriebenen Autos brauchen auch Smartphones und Laptops Lithium-Ionen-Akkus, ebenso wie E-Scooter. Die Nachfrage nach Lithium nimmt deshalb rasant zu. Wahrscheinlich wird sich der weltweite Bedarf an Lithium bis 2025 verdoppeln. Eine einzige Elektroautobatterie braucht rund 10 Kilogramm Lithium. Experten gehen davon aus, dass bis 2030 jährlich mehr als 240’000 Tonnen Lithium in der Autoindustrie benötigt werden. Die verheerenden Folgen bei der Gewinnung dieser seltenen Metalle werden dabei wohlweislich verschwiegen, hier geht es nur um Profite, und die sind nicht unerheblich.

Rücksichtslose Ausbeutung

Etwa 80 Prozent der Lithiumvorkommen befindet sich in Salzseen im Dreiländereck von Bolivien, Chile und Argentinien. Diese Region ist die Heimat indigener Völker, die hier seit Jahrhunderten leben. Dieses Gebiet in den Hochanden ist eines der trockensten Gebiete der Welt. Zu dem sog. «Lithium-Dreieck» gehört auch der Atacamasee in Chile, unter dem tief in der Erde die größten Lithiumvorkommen vermutet werden. Doch gegen den Abbau, dessen soziale und ökologische Folgen nicht kalkulierbar sind, formiert sich in Chile Widerstand, er richtet sich gegen die Privatisierung des Reichtums der Nation durch den weltgrößten Lithiumschürfer Soquimich (SQM), ein chilenischer Bergbaukonzern.

Soquimich war ursprünglich ein staatliches Unternehmen, das zu Zeiten der Militärdiktatur unter Pinochet in den 80er Jahren privatisiert wurde. Seit dieser Zeit befindet sich ein Großteil der Anteile im Besitz der Familie des ehemaligen Diktators. Immer wieder gab es Ermittlungen gegen das Unternehmen wegen Geldwäsche, Steuerhinterziehung und illegale Einflussnahme auf Politiker, um Gesetzesvorhaben im Sinne des Unternehmens voranzutreiben.

Die Bewegung Litio para Chile (Lithium für Chile) will erreichen, auch mit Unterstützung der Industriegewerkschaft Contramet, dass SQM verstaatlicht wird. Dabei geht es auch um Kontrolle und Einfluss auf die Praktiken bei der Gewinnung.

Auf dem Rücken der Indígenas

Lithium wird in einem Verdunstungsprozess gewonnen, der sehr viel Wasser verbraucht. Das führt dazu, dass Flussläufe und Feuchtgebiete austrocknen, es kommt zu Wasserknappheit und verseuchtem Trinkwasser. Eine Kläranlage für das Abwasser aus dem Gewinnungsprozess gibt es nicht.

Es gibt keinen Schutz für die indigene Bevölkerung, die dort lebt, obwohl der chilenische Staat durch ein Übereinkommen mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) dazu verpflichtet wäre. Stattdessen lässt er es zu, dass SQM die Wasserrechte in dieser Region besitzt.

Die indigenen Gemeinschaften haben ihre Lebensweise dem Klima angepasst. Sie halten u.a. Lamas, Alpakas und Ziegen. Durch eine in ihrer Gemeinschaft vereinbarte, verantwortungsvolle Wassernutzung können sie auch Klee, Mais, Kartoffeln und Bohnen anpflanzen und ihre Obstbäume bewässern. Mit dem Korn Quinoa betreiben sie Handel. Doch ihre Lebensweise ist durch den Lithiumabbau bedroht.

Auch Argentinien entzieht sich der Pflicht zur Kontrolle der Unternehmen, die Regierung lässt es sogar zu, dass die durch den Lithiumabbau anfallenden Chemieabfälle nicht ordnungsgemäß entsorgt werden, was die Umwelt zusätzlich schädigt und die Tiere sterben lässt. Seit Jahrhunderten gewinnen zahlreiche indigene Gemeinden behutsam Salz aus den Salzseen und betreiben damit Handel. Doch nun verhindern die Unternehmen ihren Zugang zu den Salinen.

Gleichzeitig verbraucht die Lithiumförderung große Mengen Grundwasser, der Wasserspiegel sinkt. Die natürlichen Barrieren zwischen Salz- und Süßwasser werden zerstört, Süß- und Salzwasser können sich mischen. Dieser Vorgang ist irreversibel, die Trinkwasserreserven, die über Jahrtausende entstanden sind, gehen dann unwiederbringlich verloren.

Der kanadische Bergbaukonzern Lithium Americas, der hier fördert, hat auch BMW als Abnehmer unter Vertrag. Der japanische Autohersteller Toyota fördert gemeinsam mit anderen Unternehmen Lithium in eigener Regie. Das Geschäft mit Lithium brummt und wirft satte Gewinne ab. Das Forschen nach Wasserproblemen in dieser Gegend stört da nur. Der Preis für Lithium liegt bei 12295 Dollar je Tonne – mit steigender Tendenz.

Ein Vertreter der indigenen Gemeinde Omawaqa in der nordargentinischen Provinz Jujuy drückt seine Sorge um die Zukunft so aus: «Sobald die Unternehmen sehen, dass sie alles Wasser aufgebraucht haben und die Dürre sie daran hindert, hier weiter Geschäfte zu machen, werden sie gehen. Und wir bleiben zurück, ohne Tiere, ohne Pflanzen und mit einer verseuchten Umwelt.»

Der in der UNO-Deklaration festgehaltene Anspruch der Indígenas auf Information ist von vorneherein so angelegt, dass die indigenen Gemeinschaften nicht umfassend informiert werden und eine Aufklärung über die Zusammenhänge bewusst unterlassen wird. Studien, die nahe des weltweit größten Salzsees in Bolivien (Salar de Uyuni) durchgeführt wurden, belegen dies. Der Anspruch auf umfassende Aufklärung vor Beginn des Abbaus wird so zur Farce.

Doch manchmal läuft es dank des Widerstands von Indígenas nicht so erfolgreich für die Konzerne. So wird nun in Bolivien der Konflikt vor Gericht ausgetragen, und die Lithiumunternehmen müssen ihre Arbeiten vorerst ruhen lassen. Die indigenen Gemeinden wollen erreichen, dass auf ihrem Gebiet kein Abbau mehr stattfindet, denn sie sind der Meinung: «Leben und Wasser sind mehr wert als Lithium.»


Fotos: Lithium-Minen in Argentinien und Chile. Quelle: Flickr.com, Creative-Commons-Lizenz.

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