von Christian Zeller

Sozialistische Zeitung, Januar 2019

In nur einem Jahr hat die ÖVP-FPÖ-Regierung Österreich verändert. Ihr zentrales Ziel besteht darin, für die großen Konzerne und deren Zulieferer die Profitbedingungen zu verbessern. Sie treibt die Umgestaltung der Gesellschaft auf mehreren Achsen voran. Hier seien drei aktuelle Auseinandersetzungen hervorgehoben.

Verlängerung und Flexibilisierung der Arbeitszeit
In großer Eile hat die Regierung im Sommer 2018 das Arbeitszeitgesetz substantiell geändert. Das am 1.September in Kraft getretene Gesetz ermöglicht die Ausweitung der täglichen Arbeitszeit auf bis zu 12 Stunden am Tag und 60 Stunden in der Woche. Das ermöglicht den Unternehmen, die Arbeitszeit der Lohnabhängigen zu verlängern und zu verdichten, den Stress zu erhöhen, intensiver auf die Lebenszeit der Beschäftigten zuzugreifen und die Löhne durch Kürzung oder gar Wegfall der Überstundenbezahlung deutlich zu senken. Damit will die Regierung die Arbeitsproduktivität und -intensität steigern und gleichzeitig die Lohnstückkosten senken.

Krankenversicherungen unter Kontrolle des Kapitals
Am 13.Dezember beschloss der Nationalrat eine umfassende Reorganisation der Krankenversicherungen. Mit dem Zusammenschluss von 21 zu nur noch 5 Krankenversicherungen will die Regierung bis 2023 eine Milliarde Euro einsparen. Doch nicht die angeblichen Effizienzgewinne stehen im Vordergrund. Die Regierung zerschlägt vielmehr die Elemente einer durchaus bürokratischen Mitsprache der Beschäftigten und Versicherten. Die nunmehr dominierenden Unternehmervertreter in den Selbstverwaltungsgremien der Sozialversicherungsträger können die satzungsmäßigen «Extraleistungen» der Krankenkassen zurückfahren, um geschäftstüchtigen Privatversicherern diese als Geschäftsfelder zu öffnen. Strategisch will die Regierung einen Versicherungsmarkt und damit ein Feld der profitablen Kapitalanlage schaffen.

Schaffung eines ­Niedriglohnsektors
Die Regierung will einen Niedriglohnsektor schaffen. 2019 stehen die Gegenreformen der Mindestsicherung, der Notstandshilfe (ähnlich dem früheren Arbeitslosengeld II in Deutschland) und der Arbeitslosenversicherung auf der Agenda. Durch ein ganzes Paket von Maßnahmen, namentlich die Abschaffung der Notstandshilfe und die Durchlöcherung der Arbeitslosenversicherung, sollen Arbeitslose gezwungen werden, jede erdenkliche Arbeit zu akzeptieren. Das führt dazu, dass diese Menschen dazu eingesetzt werden, diejenigen, die einen vergleichsweise besseren Job haben, unter Druck zu setzen. Mit der Marginalisierung eines Teils der Lohnabhängigen wird auch der Lohndruck gegen die Mehrheit der Lohnabhängigen verschärft.

Weitere Angriffe auf die ­Lohnabhängigen
Die Regierung bereitet noch weitere Gegenreformen vor: Sie will die Wettbewerbsfähigkeit gar in die Verfassung schreiben und die Umweltgesetzgebung zahnlos machen. Sie will die Arbeiterkammern zu braven Serviceorganisationen umbauen und die Gewerkschaften substantiell schwächen.
Um ihr Umbauprogramm durchzusetzen, treibt sie systematisch die Spaltung der Menschen voran: Alte gegen Junge, Alleinerziehende gegen Verheiratete, Menschen auf dem Land gegen Menschen in der Stadt, Menschen mit gegen jene ohne österreichischen Pass, Gesunde gegen Kranke, Raucher gegen Nichtraucher – alle werden gegeneinander ausgespielt. Jede Vorstellung gesellschaftlicher Solidarität und gemeinsamen Widerstands soll zerstört werden. Ganz besonders perfide betreibt die ÖVP-FPÖ-Regierung ihre rassistische und antimuslimische Propaganda.

Eine Alternative bleibt aufzubauen
Die SPÖ verfolgt einen Modernisierungskurs, der sich vollständig der Wettbewerbslogik unterordnet. Pamela Rendi-Wagner, die neue SPÖ-Vorsitzende, hat sich nicht einmal für die Wiedereinführung der Vermögensteuer ausgesprochen. Sie orientiert sich in ihrem Diskurs an den sogenannten Mittelschichten und «Leistungsträgern» in der Gesellschaft. Die SPÖ und die Grünen haben ihre Orientierung auf eine sanfte Modernisierungsopposition bei ihren Parteitagen Mitte und Ende November ausdrücklich bestätigt.
Unmittelbar nach Bekanntgabe des Arbeitszeitgesetzes mobilisierte der ÖGB am 30.Juni über 100000 Menschen zu einer Großdemonstration nach Wien. Einzelne Branchengewerkschaften kündigten einen heißen Herbst an. Sie versprachen, die Wirkungen des Arbeitszeitgesetzes durch harte Bedingungen in den auszuhandelnden Kollektivverträgen einzudämmen. Den Ankündigungen ließen die Gewerkschaften aber nur sehr eingeschränkt Taten folgen. Wie gewohnt konzentrierten sie sich auf die Durchsetzung von Lohnerhöhungen für ihre vorwiegend männlichen Kernbelegschaften. Damit ist die Auseinandersetzung über die Arbeitszeit vorerst leider erledigt.
Seit Anfang Oktober finden in Wien und anderen Städten jeden Donnerstag Demonstrationen gegen die Regierung statt. Sie drücken die allgemeine Enttäuschung, Wut und Frustration aus. Diese sehr allgemein orientierten Demonstrationen vermochten bislang aber nicht, das Kräfteverhältnis zu verändern. Die antikapitalistischen Gruppen sind schwach und zersplittert. Das Neuformierungsprojekt «Aufbruch» ist in Wien gescheitert. Der Aufbau einer politischen Alternative erfordert hartnäckige Kleinarbeit in den Betrieben, Universitäten, Schulen und Stadtteilen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.